Häkeln und innehalten
Ein Bild schafft plötzlich Stille
Ein kalter Morgen im Frühjahr. Der Nebel steigt zwischen den Bäumen auf und hinter dem Horizont zeigt sich ein gelber Schimmer. Vor den ersten Sonnenstrahlen zeichnen sich die dunklen Umrisse des alten Baumes und des steinernen Wegkreuzes daneben ab. Auf dem Weg zu meiner Arbeit bin ich oft diese Strecke entlang gefahren.
Wenn man von Großmaischeid aus die Kuppe in Richtung Kausen herunterfährt, kommt man an dieser Stelle vorbei.
An diesem einen Morgen hat mich die Szene so gefangen genommen, dass ich mit dem Auto in eine kleine Bucht am Straßenrand gefahren bin, um ein Foto zu machen.
Zwei Jahre später habe ich beschlossen, daraus ein Kunstwerk zu machen, um diesen magischen Moment festzuhalten.
Während der Hintergrund, gemalt mit Acrylfarbe, bewusst etwas unscharf gehalten ist, heben sich Baum und Kreuz in Ölpastell deutlich von der Landschaft ab. Ein Spinnennetz aus weißem Garn spannt sich quer über das Gemälde und bildet eine zweite Ebene über der Landschaft.
Ursprünglich hatte ich nicht geplant, das Spinnennetz mit diesem Bild zu kombinieren, sondern es für ein anderes Projekt zu verwenden. Allerdings schien es mir plötzlich perfekt, um die Stimmung des Gemäldes einzufangen. Das Bild wirkt still, fast als hätte es jemand in eine Ecke gestellt und dort vergessen, so lange, dass sich schon Spinnenweben darauf gebildet haben.
In diesem Fall ist das Netz jedoch Teil des Kunstwerkes. Es ist in Handarbeit entstanden, über viele Stunden gehäkelt – fast schon eine meditative Arbeit.
Mein Ziel war es, ähnlich einer Spinne, mit einem durchgehenden Faden ein Netz zu fertigen, weil es sich dabei selbst schon um wahre Kunstwerke der Natur handelt. So ein Netz bildet eine kleine Welt in sich, zentriert, aber doch mit einem Weitblick über die Landschaft.
Das Häkeln ist genau wie die Szenerie ganz stark mit meiner Heimat verbunden. Es erinnert mich an die Leute und die Landschaft rund um mein Zuhause. Für mich war die Natur schon immer ein Platz, um zur Ruhe zu kommen und meine Gedanken zu sammeln.
Wenn ich dieses Bild ansehe, herrscht plötzlich Stille in meinem sonst so vollen Kopf. Alle hektischen Gedanken daran, was noch auf meinem Terminplan steht, sind plötzlich weg. Es erinnert mich daran, wie wichtig diese kleinen Momente des innehaltens sind.
Durch sie erhält man einen klaren Kopf und wieder einen Weitblick, bevor der hektische Alltag weitergeht.
Anna Vogt